Eine Geschichte im Dezember: Schneeflocke
BIrgit P • 2. Dezember 2023
Schneeflocke
Ruhig und weiß lag die Landschaft unter einem sternenklaren nachtblauen Himmel. Auf den Feldern glitzerte der kalte Schnee bläulich im schwachen Licht der funkelnden Sterne. Schon bildete sich langsam der morgendliche Frost auf den Zweigen der Bäume. Die Dämmerung hatte gerade begonnen.
*Ping* Machte es und mitten auf der schneebedeckten Wiese nahe des Waldes blitzte über dem Schnee ein kleines Licht auf, als ob ein Stern funkelte und eine kleine fliegende Gestalt erschien in diesen frostigen Morgen. Sie schwebte eine Weile in der Luft und versuchte sich zu orientieren, dabei flatterte ihr schneeweißes Kleidchen in dem kalten Wind und ihre kleinen Flügelchen sahen aus, als ob sich schon der erste Raureif darauf gebildet hatte. Kleine weiße Kristalle umrandeten glitzernd ihre Flügel und funkelten ebenso wie der Schnee im Zwielicht der Sterne.
„Ahhh.“ Entfuhr es der kleinen Gestalt. “Wundervoll kalt ist es hier und so schön weiß. Das wird ein Spaß!“
Mit einem ‚Wusch’ stob es davon und flog schnell wie der Wind über das Feld am Waldrand entlang. Doch nicht nur geradeaus flog sie, nein, sie schien beim Fliegen auf und ab zu hüpfen und schlug kleine Purzelbäume in der Luft, umrundete kleine Zweige in einem Looping und stupste manchmal auf einen Zweig , damit der darauf liegende Schnee mit einem kleinen Schubs auf den Boden fiel. Wenn man genau hinhörte, konnte man hören, wie sie öfters fröhlich jauchzte, wenn ihr etwas besonders gut gelungen war. Lange flog sie über Wiesen und Felder, durch Wälder und über zugefrorene Seen.
Sie war gerade einem Baum von der Wurzel bis zur Spitze hoch geflogen und hatte ihn dabei wie eine Spirale immer wieder umrundet, als sie eine Bewegung im Augenwinkel wahrnahm. Sofort hielt sie an und versteckte sich im Geäst hinter einem dicken ausladenden Ast.
Unten auf dem Boden sah sie eine kleine Gruppe dick eingepackter Menschen durch den Schnee stapfen. Ihr Atem machte kleine weiße Wölkchen, die sie vor sich hertrieben. In der Hand des einen blitzte etwas auf. Es schien schwer zu sein.
Die kleine Gestalt folgte neugierig den Menschen ein kleines Stück weiter und beobachtet, wie sie vor einer Tanne halt machten. Sie nickten sich alle zu und dann hob einer das schwere Ding und wollte unten am Stamm zuschlagen als er auf einmal inne hielt. Etwas hielt ihn zurück und er konnte seine Arme mit dem schweren Ding nicht nach unten fallen lassen. Das sah komisch aus, denn der Mensch stand da und ruckelte mit den Armen leicht vor und zurück, ohne dass etwas zu sehen war. Die anderen lachten leise und machten sich über ihn lustig. Doch es half nichts. Erst als er seine Arme seitlich sinken ließ, konnte er sie bewegen.
Die kleine Gestalt flog näher heran, während die Menschen etwas tiefer in den Wald gingen um dort erstmal ein Weilchen zu lagern. Sie hatten sich etwas zu essen und etwas Dampfendes zu trinken mitgebracht und beratschlagten, was nun zu tun sei. An der Tanne angekommen sah sie einen kleinen Erdgnom brummelnd um die Tanne stapfen. „Banausen,.. .. gar nicht,... verdient,.. Natur ehren... jawohl,... !“ Er hatte sie gar nicht kommen sehen bis sie direkt vor ihm auf und ab flatterte.
„Hallo, geht’s Dir gut?“
Erschrocken stoppte der Gnom seinen Rundgang um die Tanne und besah sich das fliegende Lichtlein vor sich.
„Ja, mir geht’s noch ganz gut, aber wenn die Menschen wieder kommen und es noch mal versuchen, geht es mir vielleicht nicht mehr gut. Wer bist Du denn?“ brummelte er in sie an.
„Ich bin eine Eisfee und heiße Flocke. Und wer bist du?“ Sie betrachtet neugierig sein faltiges Gesicht, dass er grummelig in noch mehr Falten gelegt hatte.
„Ich bin ein Erdgnom und bewohne und pflege diese Tanne hier. Mein Name ist Gomm.“ Damit stapfte er weiter um die Tanne und untersuchte hingebungsvoll jedes Stückchen des Stammes.
Flocke schaute ihm hinterher und wartete bis er wieder bei ihr war. „Warum wollen die Menschen denn Deine Tanne hauen?“
Gomm kam wieder vor ihr zum stehen. „Ich hab das die letzten Winter schon beobachtet. Immer um diese Zeit kommen Menschen in den Wald und nehmen Tannen mit. Viele von ihnen hauen die Tannen unten am Stamm durch, aber manche graben sie auch ganz aus. Diese ausgegrabenen Tannen kommen manchmal nach einiger Zeit wieder und werden wieder ein gepflanzt. Nicht weit von hier steht so eine Tanne, der Gnom aus der Tanne hat mir erzählt, die Menschen stellen die Tannen in ihre Behausungen auf und schmücken sie mit glitzernden Kram. Sie singen viel und sind lustig. Nach einer Weile nehmen sie das Glitzerzeug wieder ab und bringen die Tanne wieder in Wald. Ihm geht es ganz gut jetzt, aber seine Tanne wollen sie ja auch nicht haben.“ Brummelte er wieder vor sich hin. Doch diesmal blieb er stehen und schaute sich Flocke genauer an. Sie hatte bei seinen Beschreibungen große Augen bekommen.
„Glitzerkram ? Ist das vielleicht Eis?“ wollte sie neugierig wissen. „Willst Du gar nicht wissen, was da bei den Menschen passiert?“
„Nein. Will ich nicht. Ich mag meinen Wald, was soll ich da bei den Menschen.“ Murrte er vor sich hin.
Flocke machte einen kleinen Looping ehe sie wieder vor ihm schwebte. „Na gut, ich helf dir.“
„Na dann kann ja nichts mehr passieren.“ Grummelte Gomm vor sich hin.
Es dauerte nur ein Weilchen bis die Menschen wieder zurückkamen. Dieses Mal hatten sie noch etwas anderes in der Hand. Einer der Männer hielt einen langen Stiel mit einer Schaufel daran.
Flocke schaute Gomm an. „Wie es aussieht, wollen sie jetzt Deine Tanne doch ausgraben. Das ist doch spannend. Lass uns gucken, was die Menschen sonderliches machen mit den Tannen.“ Sie umflog Gomms Kopf und zupfte ihm übermütig am Ohr.
„Nein. Ich will hier bleiben.“
„Ach komm, das wird bestimmt lustig. Und sie bringen die Tanne doch zurück. Ich würde es so gern sehen.“
„Mmmhmm, lässt Du mich dann in Ruhe?“ Seine Augen folgten ihrem auf und ab Flug vor seinem Gesicht und ihm wurde schon ganz schummerig. Flocke nickte.
„Wehe sie bringen die Tanne nicht wieder zurück! Dann musst Du dafür sorgen, dass sie es tun.“ Murrte er sie an.
„Ja, mach ich. Du wirst sehen, das wird ein Spaß.“ Sie grinste über beide Ohren und beobachtete gespannt die Männer, die nun bei der Tanne waren.
Mit einem brummigen Gesicht schaute Gomm den Männern zu, wie sie um seine Tanne herum sorgfältig den Schnee beiseite schoben und anfingen nahe der Wurzel zu graben. Anfangs ging es recht schwer, denn der Boden war noch etwas gefroren, doch dann wurde es leichter und schnell war die Wurzel nur noch von lockerem Erdreich umgeben. Als die Männer an der Tanne leicht rüttelten, und sie sich langsam hob, verschwand Gomm mit einem schicksalsergebenem Gesicht in seine Tanne und ließ Flocke allein zurück.
Flocke konnte beobachten, wie die Männer die Wurzel mit einem großen Sack einpackten wo auch genug Erde rein passte und sich dann zufrieden auf den Weg machten.
Sie folgte ihnen im sicheren Abstand. Zwar konnten sie sie nicht sehen, aber sicher war sicher.
Die Menschen stapften aus dem Wald hinaus zu einem Schlitten, auf dem schon mehrere Tannen lagen und nun kam auch Gomms dazu. Über dicht verschneite Felder und Wiesen ging es zurück in ein kleines Dorf, wie Flocke jetzt sehen konnte. An dem ersten Haus, zu dem sie kamen, hielten sie an und stellten Gomms Baum für einen Augenblick an die Wand, bevor ein Mann sich von der Gruppe trennte und den Baum mit ins Haus nahm.
Flocke überlegte kurz, ob sie ihm folgen sollte, entschied sich aber dagegen. Aus der Tür kam ihr ein Schwall furchtbar warmer Luft entgegen und das gefiel ihr gar nicht. Also flog sie um dieses Haus herum und linste vorsichtig durch die Fenster, um zu sehen, wo sie Gomms Baum hingeschafft hatten. Am dritten Fenster hatte sie endlich Glück, sie flog gerade um die Ecke als sie sah, wie der große Mensch Gomms Baum in einen großen Raum in Ecke stellte. Erschrocken schnellte sie wieder zurück an den Fensterrahmen und versteckte sich in dessen Schatten. Einen Moment verharrte sie kurz, dann schalt sie sich selbst. ‚Herrje’ wann würde sie es lernen, dass die großen Menschen sie nicht sehen konnten?
Sich selbst Mut zusprechend flog sie weiter heran und lehnte sich mit den kleinen Ärmchen auf den Fensterrahmen, sodass sie mit dem Kopf noch durch das Fenster blicken konnte.
Drinnen war der große Mensch damit beschäftigt allerlei glitzerndes Gebammsel in Gomms Baum zu hängen. Einen kleinen Stern, eine kleine Trompete, kleine silberne Kugeln und Glöckchen und sogar ein langes Band mit leuchtenden kleinen Lichtern, die wie Sterne aussahen, hängte er in den Baum. Ganz zum Schluss nahm er lange Bänder aus silbernen Glitzer und hängte sie ganz vorne über die Zweige, so dass sie von den leuchtenden Sternen angestrahlt wurden und in dem Licht funkelten bei jeder Bewegung.
Flocke’s Augen wurden immer größer und nicht selten entfuhr ihr ein leises ‚Ahh’ oder ‚Ohh’, wenn sie wieder etwas Neues sah, was in den Baum kam. Wie schön das war, doch sie fragte sich, ob das wirklich Eis sein konnte. Sie hatte doch die furchtbare warme Luft gespürt, die durch die Tür gekommen war. Wie sollte sich da Eis in dem Baum halten können? Das konnte kein Eis sein. Nun ja, auch wenn es kein Eis war, sie hatte Gomm versprochen ihm zu helfen und das andere Glitzerzeug war ja auch ganz interessant.
Eine Bewegung im Augenwinkel erregte ihre Aufmerksamkeit. Als sie sich ein Stückchen umdrehte, sah sie drinnen auf der Fensterbank eine putzige Blume stehen. Ihre Blätter waren unten ganz dunkelgrün und oben feuerrot. Sie sahen aus wie große rote Blüten, aber sie hatten die gleiche Form wie die Blätter unten. Als Flocke genauer hinsah, sah sie unter den Blättern eine kleine Blumenfee sitzen und die letzten Strahlen der Wintersonne genießen. Als diese Blumenfee Flocke sah, lächelte sie sie vergnügt an und verschwand dann gähnend in dieser putzigen Blume.
Verdutzt blieb Flocke zurück und brauchte eine kleine Weile sich wieder zu fangen. Eine wache Blumenfee, mitten im Winter, wie konnte das nur sein. Aber schien es zu geben und sie schien ganz vergnügt zu sein. Hm, naja, das musste bis später warten. Flocke sah wieder durch das Fenster und beobachtete, wie der große Mensch einen ganz großen silbernen Stern ganz oben auf die Spitze der Tanne steckte. Er leuchtete auch in den vielen Lichtern und sah fast wie ein echter Stern aus, fand Flocke. Sie seufzte leise. Der Baum sah ja soo schön aus, am liebsten würde sie ihn mal von nahem betrachten, nur wie durch das Zimmer kommen, und da war ja auch noch diese Wärme da drinnen.
Flocke setzte sich an den Rand der Fensterbank und schaute nachdenklich zu, wie die Sonne wieder langsam den Horizont rot färbte und in diesem roten glitzernden Schneemeer versank.
Es wurde dunkel und Flocke saß immer noch da und schaute der Sonne hinterher, die schon längst verschwunden war. Sie seufzte noch einmal leise und schwebte dann wieder etwas hoch. Es würde sich bestimmt schon eine Gelegenheit ergeben, da war sie zuversichtlich. Wieder flog sie zu der Fensterscheibe und drückte sich ihre kleine Nase daran platt.
Drinnen waren 2 große Menschen und 2 kleine zu sehen. Die kleinen waren ganz aufgeregt und hüpften hin und her und schauten sich immer wieder den geschmückten Baum mit großen Augen an. Als sie was gegessen hatten, machten sie das Licht aus und gingen aus dem Raum. Im ganzen Haus wurde es dunkel und nur Flocke saß noch vor dem Fenster und wartete.
Sie hatten noch gar nicht gesungen. Also musste da doch noch was passieren. Aber es passierte nichts. Es blieb ruhig.
Nach einer kleinen Weile konnte sie eine Bewegung unter dem Baum sehen. Eine kleine dicke Nase schob sich unter den Zweigen hervor und zwei kleine grummelig dreinschauende Augen folgten ihr. Flocke lächelt. Gomm hätte sie fast vergessen. Er könnte sie bestimmt herein lassen. Sie sah wie Gomm sich erst vorsichtig umschaute und sich dann seinen Baum besah. Brummelig schlug er die Hände über den Kopf zusammen und schüttelte unwirsch den Kopf. Flocke kicherte draußen leise vor sich hin, als sie das sah. Dann flog sie dicht an das Fenster und klopfte leise gegen die Scheibe. Erst beim zweiten Mal hörte Gomm sie und kam brummend zu ihr. Flocke schaute ihn auffordernd an. „Du musst das Fenster auf machen.“
„Wie soll das denn gehen? Ich kenn mich damit nicht aus.“
„Oh nein! Wie soll ich denn dann zu Dir herein kommen?“
„Ich weiß nicht, aber es ist furchtbar warm hier drin. Wenn ich wieder raus komme, werd ich mir einen Schnupfen holen, nur wegen Dir.“ Murrte Gomm.
„Ach was. Das wird schon nicht so schlimm werden, aber ich möchte gern rein zu Dir. Was machen wir denn nun?“
„Ich kenn mich mit Menschenkram nicht aus. Da musst Du dir was anderes einfallen lassen.“
Gomm schaute Flocke an und wunderte sich, dass sie nicht mehr aufgeregt hin und her flog und einen Eingang suchte. Urplötzlich hatte sie auf einmal inne gehalten und starrte auf einen Punkt hinter ihm. Ihr Kopf lag ein wenig schief und sie verharrte still, nur ihre Flügel bewegten sich und hielten sie auf einer Stelle. Gomm hatte eine böse Vorahnung und drehte sich ganz langsam um. Und ja, da war sie, die böse Vorahnung.
An der geschlossenen Tür stand das kleine Mädchen aus der Familie und starrte sie beide völlig überrascht an. Gomm war klar, dass das Menschenkind sie beide wirklich ansah, er hatte schon mal das Gerücht gehört, dass die kleinen Menschen so was wie ihn manchmal sehen konnten. Oh nein, was machten sie jetzt nur? Na ja, es half ja nichts.
Gomm räusperte sich leise. „Öhm, hallo, ich heiße Gomm und wohn in der Tanne. Wie heißt Du?“
Das Mädchen schüttelte sich ganz leicht und nahm ihren Blick von dem Fenster. Sie schaute Gomm neugierig an und antwortete leise. „Ich heiße Lisa.“ Langsam kam sie auf ihn zu.
„Du wohnst in der Tanne?“
„Ja, es ist meine Tanne, die der große Mensch aus dem Wald geholt hat. Zum Glück mit den Wurzeln. Ich hoffe doch sehr, dass sie wieder eingepflanzt wird.“
Lisa nickte leicht. „Mein Vater bringt die Tanne ganz bestimmt wieder in den Wald. Das hat er vorhin gesagt.“
Sie schaute zum Fenster. „Ist das Deine Freundin? Sie möchte bestimmt rein.“
Gomm schüttelte energisch den Kopf. „Nein, sie ist nicht meine Freundin, ich kenn sie nur flüchtig. Aber ja, sie möchte gern rein. Sie hat mir das alles überhaupt eingebrockt.“
Lisa war schon bei seinen Worten zum Fenster gegangen und öffnete es erst einen Spalt und dann etwas weiter, so dass ein Schwall kalte Luft ins Zimmer strömte.
*Wusch* Flocke stobt ins Zimmer, flog eine kleine Runde um den Baum und blieb dann vor einem kleinen glitzernden Anhänger neugierig in der Luft stehen.
„Ooch, die sind ja wirklich nicht aus Eis.“ Enttäuscht wandte sie sich zu Lisa um.
„Ich heiße Flocke und bin eine Eisfee. Wer bist denn Du?“
„Ich bin Lisa.“ Neugierig betrachtete Lisa nun die Eisfee vom nahen. „Hast Du noch nie einen geschmückten Tannebaum gesehen? Da können wir kein Eis drauf machen, auch wenn das bestimmt hübsch aussehen würde. Aber das würde doch schmelzen. Es ist doch viel zu warm hier drinnen für Eis.“ Erwiderte Lisa lächelnd.
„Nein, so was hab ich noch nie gesehen. Aber es ist auch sehr schön, wie der Baum jetzt aussieht.“
Sie unterhielten sich noch eine Weile und Flocke ließ sich von Lisa einiges von dem schönen Baumschmuck zeigen, während Gomm grummelnd daneben saß und ein mürrisches Gesicht zog. Nach der anfänglichen Schüchternheit taute Lisa schnell auf und man konnte spüren, dass sie die Zeit genoss.
Die ganze Zeit war das Fenster weit offen und oft brachte eine Windböe frische kalte Luft in den Raum, trotzdem ließ Flocke irgendwann die Flügel hängen und verlor ein wenig an Höhe wenn sie flog. Erschrocken schaute sie auf und bemerkte erst jetzt, dass es für sie immer noch zu warm war in dem Zimmer. Sie sank mit einem traurigen Blick langsam auf den Boden.
„Ich glaub, ich muss wieder raus in den Schnee. Kannst Du mich bitte auf das Fensterbrett setzten Lisa?“
Lisa nickte und hielt Flocke ihre offene Hand hin, damit sie darauf steigen konnte, dann hob sie sie hoch und setzte sie auf die Fensterbank soweit nach draußen wie sie es mit ihren Kinderärmchen hinbekam. Vorsichtig kletterte Flocke von der Hand und setzte sich auf den Fensterrahmen, so dass ihre Flügel sich draußen in der kalten Luft erholen konnten.
Gomm schaute die beiden mürrisch an. „Es ist schon ziemlich spät. Lisa sollte längst im Bett sein und ich muss mir überlegen, wie ich an etwas zu essen komme. Und du...“ er schaut zu Flocke. „solltest lieber draußen wieder rum fliegen. Eingebrockt hast Du mir ja schon genug.“
Lisa schaute traurig zu Flocke.
„Ja, wenn es Dir hier zu warm ist, musst Du wirklich lieber draußen sein. Schade.“ Seufzte sie.
Flocke seufzte leise. „Es ist wirklich ein schöner Baum so wie ihr ihn hübsch gemacht habt.“ Dann schien ihr was einzufallen. „Warum bist Du überhaupt wieder aufgestanden, du solltest doch bestimmt schon schlafen, oder?“
Lisa druckste etwas herum.
„Ja, .. na ja,... eigentlich sollte ich schlafen, das stimmt, aber ich wollte doch so gern sehen, wer die Geschenke bringt in dieser Nacht, die am nächsten morgen immer darunter liegen. Aber nun hab ich ja Euch gefunden. Das ist viel interessanter.“
„Ich habe noch niemanden gesehen, der Geschenke bringt.“ Meinte Flocke, aber ein geheimnisvolles Lächeln umspielte ihren kleinen Mund.
„Aber nun solltest Du wirklich ins Bett, vielleicht könntest Du für Gomm noch etwas zu essen besorgen vorher, damit er nicht durch das Fenster klettern muss und alles kaputt macht.“
Entrüstet fuhr Gomm hoch. „Kapuuuttt ? Iichh ? Also, ... ne... also...wo du...und überhaupt...“
Lisa und Flocke grinsten und Lisa nickte.
„Ja, ich kann ihm jeden Abend noch schnell was aus der Küche holen und vor die Tanne stellen, dann muss er nicht raus.“
Gomm beruhigte sich ein wenig und grummelte ein leises ‚Danke’ in den Kragen seiner Jacke.
„Warte eben.“ Schnell lief Lisa einen Raum weiter und kam wenige Augenblicke später mit einem großen Teller voll Kekse und Äpfel und einem Glas Milch wieder.
„Ich hoffe, das reicht erstmal.“ Sie balancierte den Teller neben der Tanne auf einen kleinen Tisch. Plötzlich gähnte sie ausgiebig und schaute die beiden bekümmert an. „Aber ich glaub, ich muss wirklich ins Bett. Sehe ich Euch denn morgen wieder?“ erwartungsvoll betrachtete sie Gomm und Flocke.
Gomm brummelte schon nicht mehr so stark und nickt. „Ja, ich muss mir ja mein Essen abholen.“ Fast war es so als ob ein flüchtiges Lächeln über sein Gesicht huschte.
„Ich weiß nicht ob ich jeden Abend da sein kann, aber ich werde bestimmt wieder kommen und vielleicht sehen wir uns ja auch tagsüber mal draußen, wenn es kalt genug ist.“
Mit einem Sprung flog Flocke wieder in die Luft, zischte noch einmal um den Baum und machte kleine Spiralen bis zur Spitze, tippte mit ihrem kleinen Fuß den großen Stern einmal an und stob dann lachend zum Fenster hinaus.
„Wir sehen uns wieder,...“ damit war sie aus dem Fenster und schon bald als leuchtender Punkt über den Wiesen verschwunden.
Lisa sagte Gomm ‚Gute Nacht’ machte das Fenster zu und ging dann wieder leise aus dem Zimmer.
Für eine Weile genoss Gomm die leckeren Kekse und trank das Glas Milch ganz aus, dann verschwand er wieder in seiner Tanne. Kurz vor Morgengrauen kam er noch mal heraus und legte etwas kleines Braunes zu den anderen Geschenken, die dort mittlerweile lagen und lächelte versonnen.
Als Lisa am nächsten Morgen wieder in das Zimmer kam, fand sie hübsch eingepackte Geschenke unter dem Baum und wieder fragte sie sich, wie die da hin gekommen waren und wer sie gebracht hatte. Doch sie fand auch eine kleine Figur aus Holz, die Flocke sehr ähnlich sah....
1. Eine moderne Geschichte: Die Nacht des Übergangs Der Nebel kam früh an diesem Tag. Schon am Nachmittag legte er sich über die Hügel der Buckligen Welt, wie ein stilles Meer aus silbrigem Atem. Die Sonne schien müde, und die Erde roch nach feuchtem Laub und Rauch. Bria zog den Mantel enger um sich und stieg den alten Hohlweg hinauf, der zum Waldrand führte. In ihrer Hand trug sie eine kleine Laterne, in der das Licht flackerte – nicht stark, aber beständig. Seit Kindheitstagen kannte sie diesen Weg. Früher war sie mit ihrem Großvater hier gewesen, um „die Ahnen zu grüßen“, wie er es nannte. Damals hatte sie es nicht verstanden – warum man in der Dunkelheit hinausgeht, wenn alle anderen sich ins Warme zurückziehen. Heute wusste sie es besser. Es war der Abend von Samhain, der Nacht, in der die Schleier dünn werden. In der man die Stimmen hört, die sonst im Wind verwehen. In der man sich erinnert, woher man kommt – und was man loslassen darf. Bria stellte die Laterne am Waldrand ab. Der Wind trug das Rascheln der Buchenblätter zu ihr, das ferne Rufen eines Käuzchens, das Schnaufen des Bodens, der sich unter der Kälte spannte. Sie nahm einen kleinen Stein aus der Tasche – glatt und rund, ein Stück Bergkristall, das sie tagsüber am Bach gefunden hatte. Er fühlte sich kühl an, doch zugleich lebendig, als würde er die Schwingung des Ortes in sich tragen. „Für das, was war“, flüsterte sie, und legte den Stein ins Moos. Dann zog sie ein zweites kleines Stück hervor: ein Federchen, das sie auf dem Dachboden gefunden hatte, zwischen alten Spindeln und vergilbten Leinen – eine Gänsefeder. Sie erinnerte sie an ihre Großmutter, die einst in den Rauhnächten Geschichten von der Percht erzählt hatte, der Weißen Frau, die mit den Wildgänsen zieht und die Spinnerinnen prüft. „Für das, was kommen darf“, sagte Bria und legte die Feder neben den Stein. Für einen Moment geschah nichts. Nur der Nebel bewegte sich, fließend und lebendig, als atme der Wald selbst. Dann aber glaubte sie, eine Bewegung zu sehen – nicht vor, sondern im Nebel. Ein Schemen, eine Silhouette. Ein Gesicht, das aus Licht und Schatten gewebt war. Bria erschrak nicht. Etwas in ihr erkannte diese Gestalt, lange bevor der Verstand es konnte. Die Frau im Nebel trug ein weißes Gewand, das wie Frost glitzerte, und in ihren Händen eine Spindel, auf der das Licht selbst gesponnen schien. Ihre Augen blickten tief, so alt wie das Land, und doch voller Güte. „Perchta …“ flüsterte Bria, kaum hörbar. Die Gestalt neigte den Kopf, fast wie im Gruß. Dann sprach sie – nicht mit Worten, sondern mit einem Klang, der im Innersten vibrierte: „Du gehst, wo zwei Welten sich berühren. Vergiss nicht: Das Ende ist der Anfang, und Dunkelheit ist nur das Kleid des Lichts.“ Ein leiser Wind erhob sich, trug den Nebel fort – und die Gestalt war verschwunden. Nur die Laterne flackerte weiter. Bria blieb noch lange dort stehen, bis der Mond sich zeigte – ein fahles, rundes Auge über den Hügeln. Sie wusste, dass dies kein Traum gewesen war. Samhain hatte ihr die Schwelle geöffnet, und Perchta war hindurchgetreten – als Zeichen, als Erinnerung, als Segen.

Die Geschichte von Ceridwen und dem Kessel Geschichten wollen erzählt werden. Und so haben wir dieses Mal eine erzählte Geschichte für dich. Sie ist den OBOD Barden wohl bekannt, und was für ein besonderer Zeitpunkt zu Samhain die Geschichte von Cerridwen und dem Kessel zu veröffentlichen. Hier ist die Version zum Lesen, wahrscheinlich nicht ganz identisch mit der erzählten Version, denn Geschichten leben und verändern sich. Du kannst dir die Geschichte auch anhören auf youtube: https://youtu.be/ilNjI865d_0 Aber hier nun die Geschichte zum lesen: In den Bergen von Wales, die Snowdonia genannt werden, liegt eine besondere Stadt. Sie wird bewacht von Felsen und Adlern. Ihr Name: Dinas Affaraon. Dort hoch oben zwischen den Kristalltürmen der Stadt, leben die Pheryllt, druidische Alchemisten, und praktizieren die Künste der druidischen Magie – sie erforschen die Tiefen des Ozeans, das Herz der Erde, andere Zeiten und Galaxien. Sie wissen auch, wie man das Awen braut, den Kessel des leuchtenden Wissen, von dem drei Tropfen Erleuchtung bringen können. Und abends erwärmen sich die Pheryllts die Herzen mit den Geschichten und Liedern der Barden und tagsüber werden sie gestärkt mit den Kräutern und Ölen der Ovaten, der Heiler der Druiden. Nicht weit von Snowdonia liegt ein See. Lake Bala, wie er auch genannt wird. An diesem See wohnte ein Edelmann mit seiner Edeldame. Die Dame war niemand anderes als die Göttin Ceridwen. Sie hatte fließendes rotes Haar, blaue Augen und eine schöne Figur und mit ihrem Wissen rief sie bei manchem Bewunderung hervor, andere hatten eher Angst vor ihr. Zusammen hatten sie 2 Kinder, eine Tochter, Creirwy, diese war wunderschön und lieblich anzusehen. Der Sohn Morfran, Seerabe, aber war entstellt und nicht einfach anzuschauen. So wurde er auch Afagddu, völlige Dunkelheit, genannt. Ceridwen war fest entschlossen, dass ihr Sohn inspiriert und der beste Berater sein sollte, wenn er schon nicht hübsch anzusehen war. Sie hatte gehört von dem Gebräu des AWEN der Pheryllt in Dinas Affaraon und wusste, dass es ihrem Sohn helfen würde. Und so machte sie sich mit ihrem Pferd auf den Weg in die hohen Berge, zu der Stadt der Kristalltürme. Sie klopfte an das große eiserne Tor und eine dunkelhaarige Frau mit sanften grauen Augen öffnete ihr und führte sie ohne Worte ins Herz der Stadt. Dort traf sie auf den Rat der Pheryllt, zudem sowohl Männer als auch Frauen gehörten. Sie hörten sich ihren Wunsch an und schließlich stimmten sie ihrem Begehr zu. Sie wurde in die Bibliothek geführt und der Hüter der Manuskripte öffnete ihr das Buch der Pheryllt, auf dessen Seiten fand Ceridwen die Formel für die Schaffung des Awen. Sie durfte die Formel abschreiben und wurde von der Torwächterin wieder vor die Stadttore geleitet. Auf ihrem Pferd ritt sie zurück zu ihrem Schloß und versicherte sich, dass es ihren Kindern gut ging. Danach machte sie sich sogleich an die Vorbereitungen für das Gebräu der Erleuchtung. Eine Anweisung war, einen Kessel vorzubereiten mit frischem Wasser. In diesen Kessel sollte sie Kräuter und Wurzeln sammeln, manche am Tag gesammelt, andere zur Nacht. Manche, wenn der Mond hell am scheint, andere wenn die Sterne am Himmel sichtbar sind, andere wiederum zum Aufgang der Sonne, oder zu ihrem Niedergang. All das für ein Jahr und einen Tag in einem großen Eisenkessel rühren. Ceridwen verließ ihr zu Hause beim Schein des Vollmonds und ging an den See. Vor ihr lag das Wasser des Sees und dahinter zeichneten sich die hohen Berge ab. Sie erhob ihre Hände und bat darum, dass ihre Vision, ihr Wunsch wahr werden würde. Nachdem sie ihren Zauber gewebt hatte, ging sie zum Schmied und bestellte einen breiten und tiefen Kessel, der zu der Hütte am See geliefert werden sollte. Sie überlegte gerade, wie sie für ein Jahr und einen Tag das Feuer hüten sollte, da begegnete ihr ein alter blinder Mann, geführt von einem Jungen. Sein Name war Morda – Meeresvater. Er hatte jahrelang im Wald als Köhler gearbeitet und so bot Ceridwen ihm und dem Jungen ein Dach über den Kopf und essen für ein Jahr und einen Tag, wenn die beiden für sie das Feuer hüten würden. Morda und Gwion Bach stimmten zu und so zogen sie in die Hütte ein. Nach ein paar Tagen wurde der Kessel geliefert und Ceridwen eilte, um Wasser zu holen. Währenddessen bereitete Morda und Gwion Bach das Feuer vor. Das Jahr verging. Sommer wurde zu Herbst und Herbst zu Winter. Es wurde ein kalter Winter und Morda und Gwion saßen zusammen am Feuer und vertieben sich die Zeit mit Geschichten. Und dann wurde es Frühling. Ceridwen kam jeden Tag vorbei, zu den unterschiedlichsten Zeiten und gab ihre Kräuter und Wurzeln in den Kessel und sprach ihre magischen Wörter über das Gebräu. Und so wurde es Sommer und bald war ein Jahr vergangen. Morda spürte, dass das Feuer am ausgehen war und trug Gwion auf, nochmal ein Scheit nachzulegen. Und da geschah es, der Kessel brodelte über und 3 Spritzer trafen auf den Daumen von Gwion, der diesen schnell in den Mund steckte, um den Schmerz zu kühlen. In diesem Moment passierte einiges zur gleichen Zeit. Der Kessel zischte und schrie und splitterte entzwei, das übrige Gebräu floss zum Lake Bala und vergiftete das umliegende Land. Das Gras wurde schwarz und die Pferde von Garanhir, die dort grasten starben. Gleichzeitig in diesem Moment wusste Gwion Bach alles. Er wußte, dass Ceridwen auf dem Weg war und dass sie vor Wut ihn töten würde. Und so rannte er los um zu fliehen. Ceridwen kam in der Hütte an und sah was geschehen war. All ihre Arbeit für ihren Sohn war umsonst gewesen. Sie wurde richtig wütend und schlug Morda. Sie sah, wie Gwion Bach sich in einen Hasen verwandelte, um schneller vor ihr fliehen zu können. Und so verwandelte sie sich in einen Jagdhund und jagte ihm hinterher. Sie holte schnell auf und Gwion Bach wusste nicht wohin. Doch da sah er einen Fluss und sprang hinein und im Sprung verwandelte er sich in einen Fisch und schwamm durch die Stromschnellen immer weiter. Ceridwen sprang ihm hinterher und verwandelte sich in einen Otter und teilte das Wasser mit Schnelligkeit. Auch hier holte sie schnell auf. Doch gerade als sie zuschnappen wollte, sprang der Fisch hoch hinauf und verwandelte sich in einen kleinen Vogel, der immer höher flog. Ceridwen sammelte sich und auch sie sprang in die Lüfte und wurde zu einem Falken, der kleine Vögel jagen konnte. Und so nahm sie die Verfolgung wieder auf und kam wieder nahe an den kleinen Vogel heran. Gwion entdeckte unter sich eine Tenne mit frisch gedroschenem Korn und lies sich fallen, um sich in all dem Korn zu verstecken. Doch Ceridwen verwandelte sich in eine schwarze Henne und präzise pickte sie sich Gwion als Korn unter Körnern heraus. Sie hatte ihre Wut befriedigt und verwandelte sich wieder in ihre Gestalt. Doch wie das so ist, in Mythen, wenn eine Seele von einer Frau verschluckt wird, regt sich diese Seele und Ceridwen war schwanger. Als die Stunde der Geburt gekommen war, ging sie zum See und dort gebar sie einen Sohn. Sie brachte es nicht übers Herz ihn zu töten, wie sie es sich ursprünglich vorgenommen hatte und so packte sie ein Bündel und überließ das Kind dem See, dem Wasser und dem Schicksal. Das Bündel trieb sicher auf dem Wasser und gelangte zum Wehr von Garanhir. Garanhir vergab jedes Jahr einem anderen Mann die Rechte, das Wehr zu fischen. Es gab immer reichlich und guten Fang. Dieses Jahr durfte Elffin die Netze spannen. Doch es fand sich kein Fisch in seinen Netzen. Nur ein Bündel. Elffin öffnete das Bündel und verwundert sah er ein Baby vor sich mit blonden Haar. Er rief aus „ seht, eine leuchtende Stirn – Taliesin!“ – und zu seiner Verwunderung sprach das Baby: „Taliesin soll es sein!“ Elffin nahm das Kind mit nach Hause und zusammen mit seiner Frau sorgten sie für das Kind. Als Taliesin ein Junge von 13 Jahren war, reiste Elffin an den Hof des Königs Maelgwn. Dort erzählte er von seinem Sohn, der der beste Barde von allen war. Maelgwn nahm dies als Angriff war und ließ Elffin in den Kerker werden. Taliesin hörte davon und reiste an den Hofe Maelgwn und dort stellte er sein Talent unter Beweis und lähmte die Zungen der Barden. Er erkärte dem König, dass er Erster der Barden für Elffin ist und seine Heimat die Sommersterne sind. Und er rief einen mächtigen Sturm herauf, bis der König ein einsehen hatte und Elffin wieder freigab. Selbst Merlin hatte eins gesagt: „da ich Merlin, neben Teliesin nur zweiter bin, lasst meine Worte als Wahrheit gehört werden.“ Deshalb ist es für manche klar, dass der Geheime der Insel Merlins die Insel von Taliesin sei – Die Insel der Dichter und Träumer und derer die nach der Weisheit suchen. Die Geschichte von Ceridwen und dem Kessel, nacherzählt von Anna Oakflower Oktober 2025 ,
Dialog Tag und Nacht N: sei gegrüßt Tag T: sei gegrüßt Nacht N: schön dich zu sehn, heute wo zwölf Stunden dir und zwölf Stunden mir gehören T: heute wo die Waage ausgeglichen ist, tanzen wir zusammen im Wandel des Jahresrads N: doch nur heute, denn ab Morgen halte ich das Zepter in der Hand, für das nächste halbe Jahr! T: Dunkler werden die Stunden, das Leben wird härter, darum danken wir heute der reichlichen Ernte, die uns tragen wird durch die kalten Zeiten. N: doch verleugne nicht die schönen Seiten der Dunkelheit. Die Stille in der wir Ruhe finden können und Geborgenheit. Nirgendwo lässt es sich so gut Träume weben, wie unterm Sternen Himmel. T: Doch um zu gedeihen braucht es Licht und Wärme und die schenke ich. N: wie war, doch ist es die Nacht, die völlige Dunkelheit die das Licht gebiert. T: so sehen wir es ein, wir gehören zusammen jeder eine Seite der gleichen Münze, schon immer und immer werden wir es sein. BEIDE: Zum Leben braucht es uns beide und so verneigen wir uns am Wendepunkt der Zeit, an dem die Waage gerade steht, heute zur Herbst Tag und Nachtgleiche Anna Forest Dweller

Die ersten Nebel hingen bereits über den Feldern. Ein frischer Wind wehte über die Getreideähren und ein Gesang der Vergänglichkeit klang mit. Elara, die Schnitterin ging durch die Felder. Ihre Schritte so leise wie der Fall eines Herbstblattes, Ihr Umhang gewebt aus Mondlicht und Schatten, flatterte um sie herum, und ihr Antlitz war so blass wie der graue Morgen. Sie trug eine Sense, jedoch trug sie auch eine unsichtbare Waffe mit sich, die Veränderung im Gefüge der Dinge. Elara erntet nicht nur die Ähren des Getreides, sondern auch Leben, Erinnerungen, Träume und Hoffnungen. Zu Lughnasad trug es sich zu, dass der junge Milas im nahegelegenen Wald arbeitete, als ihm die sonst so vertraute Gegend seltsam anders erschien. Plötzlich stand Elara hinter ihm. Als er sie sah, erschrak er. Elara sprach: „Fürchte dich nicht“ ich bin Elara die Schnitterin, ich zeige den Menschen nach einer Zeit der Fülle die Zeit der Ernte und der Veränderung. Milas fing an Fragen zu stellen und war sehr neugierig was sie mit Veränderung meinte…. sie setzten sich beide auf einen alten Baumstumpf und Elara fing an zu erzählen und seine Fragen zu beantworten. Sie sprach: „Im Moment steht die Natur noch in der Fülle, jedoch alles was wir im Frühjahr gesät haben beginnen wir jetzt zu ernten und Vorräte für die dunkle Zeit des Jahres zu sammeln. Die Erdmutter beschenkt uns reichlich und sorgt für uns, dafür sollen wir dankbar sein. Milas wollte aber nun wissen, was es mit der Veränderung auf sich hat. Elara sprach:“ Mit meiner Sichel helfe ich, die Ernte einzubringen und kündige schon im Vorfeld meinen Bruder den „Gevatter Tod“ an. Geburt und Tod liegen ganz nah beieinander, das sagt uns die Natur, die sich auch immer wieder verändert, sie gebiert im Frühling neues Leben und holt es zu Anfang des Winters wieder zu sich. Elara sprach zu Milas: „So ist es auch bei euch Menschen. Was hast du in deinem Leben geerntet? Was hast du im Leben gegeben und bekommen? Was muss jetzt sterben? Was ist die Essenz deines Lebens? Er überlegte und sagte: „So habe ich das noch gar nicht gesehen.“ Milas war sehr betroffen über die Fragen der Schnitterin Elara. Er versprach ihr, sich darüber Gedanken zu machen der großen Erdenmutter Opfer darzubringen und sich bei ihr zu bedanken für sein schönes Leben auf der Erde und das seiner Angehörigen. Milas hatte Tränen in den Augen, denn die Worte und Fragen von Elara hatten ihn tief berührt. Der Tag war beendet, sein Herz war von tiefer Dankbarkeit berührt und er hatte viel über das Leben und den Tod und den Kreislauf des Lebens gelernt. Elaras Arbeit war nun getan. Mit einem kurzen, stillen Lächeln drehte sie sich um und verschwand über die Waldlichtung und plötzlich war das nahegelegene Getreidefeld geerntet. Die Schnitterin war da, die nicht nur das Getreidefeld erntet, sondern auch die Seelen befreit um sie zu etwas Größerem zu führen.

Es war der erste August, der Tag des Lughnasadh-Festes, das in einem kleinen Dorf tief in den grünen Hügeln gefeiert wurde. Jedoch bestand dieses Dorf nicht aus menschlichen Bewohnern, sondern dort wohnten viele Tiere des Waldes. Der Bürgermeister Hubertus vom Eichenhain lud alle Dorfbewohner und die der Umgebung zum jährlichen Wettkampf der Tiere ein. Wie jedes Jahr sollten die Tiere ihre Geschicklichkeit und Stärke messen. Brunhilde Honigtatze, eine Schwarzbärin mit viel Erfahrung, kümmerte sich mit den Eichhörnchen und Mäusen um das leibliche Wohl, und sie war es auch, die das erste Brot aus dem ersten Korn backte. Etwas abseits des Dorfes lebte ein ungewöhnlicher Dachs namens Arävin. Tief unter einer uralten Eiche hatte er seine gemütliche Höhle. Denn Arävin war nicht irgendein Dachs – er war Arävin der Tapfere, der Superheld des Waldes! Diesen Titel haben ihm die Dorfbewohner gegeben, weil er immer wieder neue Dinge erfand, die er dann an seinem Gürtel trug. Und weil er sich zur Aufgabe gemacht hatte, Tieren in Not zu helfen. Egal, ob er ein kleines Hasenjunges bei einem Waldbrand rettete oder verlorene Kitze suchte und wieder zu ihren Eltern zurückbrachte. Er versuchte immer, den Rat seines Vaters zu befolgen: Mut war nicht die Abwesenheit von Angst, sondern helfen, wann es notwendig ist. Doch trotz all seiner Heldentaten lebte Arävin zurückgezogen und stand nicht gerne im Mittelpunkt – schon lange hatte er den Wunsch, bei dem großen Lughnasadh-Sportwettbewerb teilzunehmen. Traute sich aber nicht, sich anzumelden. Er dachte, er wäre für so etwas nicht geeignet. Als sich die Dorfbewohner versammelten, um die Kandidaten für den Wettbewerb bekannt zu geben, drängte sich der schelmische Fuchs Rudrik vor und verkündete: „Ich werde heuer zum fünften Mal in Folge der Sieger sein und dann bin ich der König der Felder.“ Mit übertriebener Siegergeste und lautem Lachen verspottete er die Versammlung. „Da eh niemand gegen mich antreten will, nehme ich den Preis gleich mit nach Hause.“ Auch Arävin war zu dieser Versammlung gekommen, weil er neugierig war, wer dieses Jahr teilnehmen würde. Er hockte unter einem Baum und beobachtete das Spektakel. Er schüttelte den Kopf und ärgerte sich über den Fuchs. Über ihm im Baum saß Kiko der Rabe, der ebenfalls verärgert über die Siegessicherheit des Fuchses war. Kiko wusste, dass Arävin schon lange an dem Wettbewerb teilnehmen wollte. „Los, melde dich an, Arävin. Du wolltest immer schon mal teilnehmen. Nutze die Chance und zeige dem Fuchs, aus welchem Holz Dachse geschnitzt sind.“ Bevor Arävin noch etwas sagen konnte – er wollte natürlich ablehnen – krächzte der Rabe in die Menge: „Hier – Arävin, unser Superheld, meldet sich ebenfalls als Kandidat.“ Die Menge jubelte, das würde ein toller Wettkampf werden. Der Fuchs lächelte: „Endlich ein würdiger Gegner.“ Innerlich schluckte der Fuchs, weil er um die Talente des Dachses wusste. Am nächsten Morgen erklangen Trommeln und Flöten, als die Tiere sich am Dorfanger versammelten. Die Disziplinen waren wie jedes Jahr: Hindernislauf über die Hügelfelder, die Speerkäfer hatten sich wieder für die Weitwurf-Disziplin zur Verfügung gestellt und Beeren balancieren durch den Slalom. Als erstes stand der Hindernislauf an. Arävin kletterte zwar geschickt über Hecken, rollte sich unter Zweigen hindurch und nutzte einen Trick aus seinem Gürtel: eine Mini-Harpune, um sich über den Wassergraben zu schwingen. Jedoch war der Fuchs aufgrund seiner Größe einfach wendiger und gewann den ersten Wettbewerb. Dann war der Käfer-Weitwurf dran. Als Sieger der Vorrunde war der Fuchs als erster an der Reihe. Grob griff er in die Schale mit den Käfern und fischte sich einen heraus. Drohend sah er auf den Käfer hinab: „Wehe, du fliegst nicht ordentlich.“ Und schleuderte den Käfer fort. Nach gut 5 Metern kam der kleine Käfer am Boden auf. Die Menge applaudierte. Auch wenn viele das Verhalten des Fuchses nicht guthießen, fanden sie den Wettbewerb spannend. Der Fuchs drehte sich um und ging triumphierend an Arävin vorbei. „Das musst du mir erst nachmachen.“ Arävin trat vor und spähte in die Schale. Ein dicker Käfer blickte zu ihm auf und lächelte ihn an. Er lächelte zurück und sagte: „Danke, dass du dich zur Verfügung stellst, Brumm. Wie geht’s den Kindern?“ „Denen geht’s gut, dank dir.“ Arävin holte zum Wurf aus und mit perfektem Schwung segelte Brumm dann über die Wiese – vorbei an allen bisherigen Rekorden. Es gab tosenden Applaus und Jubel. Diese Runde ging an den Dachs. Rudrik schäumte vor Wut. Beim Beeren-Slalom, den die Maulwürfe gezogen hatten, ging es nicht nur um Schnelligkeit. Es mussten so viele Johannisbeeren wie möglich im Ziel ankommen. Wer eine Beere verlor, musste zurück zum Start und von vorne anfangen. Hier zeigten sich die größten Stärken des Dachses: Geduld und Strategie. Während der Fuchs sich vor Schnelligkeit fast überschlug und seine Beeren ständig verlor und von vorne beginnen musste, trappte der Dachs ruhig und gelassen durch den Slalom direkt ins Ziel. Ziemlich zeitgleich kamen der Fuchs und der Dachs ins Ziel. Der Fuchs war nur einige Nasenlängen schneller. Er begann sofort einen Jubeltanz aufzuführen. „Ich bin der Sieger!! Ich bin der Sieger. Gebt mir meine Krone.“ Dann mischte sich Hubertus, der Bürgermeister, ein: „Moment, Moment. Es müssen die Beeren noch gezählt werden. Frau Brunhilde, würdest du uns die Ehre erweisen?“ Die Bärin trat vor und zählte die Beeren. „Wir haben einen ganz eindeutigen Sieger.“ Sie nahm die Tatze des Dachses und riss ihn in die Höhe. „Den diesjährigen Wettbewerb der Tiere hat Arävin eindeutig gewonnen!“ Augenblicklich brach tosender Applaus und Jubel aus. Immer wieder wurde Arävin’s Name gerufen. Hubertus überreichte Arävin einen Ährenkranz, der aus den Ähren der ersten Ernte stammte. Irgendjemand aus der Menge krächzte: „Eine Rede! Wir wollen eine Rede.“ Der Dachs hob seine Pfote und deutete auf das Feld, die Sonne und die versammelten Tiere. „Dieses Fest ist für alle da. Egal, wie groß, laut oder stark man ist – wer hilft, wer mit Freude teilnimmt, gehört dazu.“

Im Herzen eines grünen Tals, wo die Hügel in sanften Wellen zum Himmel aufsteigen, lag das Dorf Dunhaven. Der Frühling hatte seinen Zauber über die Landschaft gelegt, die Wiesen blühten in einem Meer aus Farben und der Duft von frisch gemähtem Gras lag in der Luft. Doch das Leben der Dorfbewohner war von einer düsteren Vorahnung getrübt. Die Ernte war mager ausgefallen, der Winter hatte hart zugeschlagen, und der Geist des Winters, Cailleach, schien seine eisige Umarmung noch immer nicht ganz gelöst zu haben. Doch heute war Beltane, das Fest der Fruchtbarkeit des neuen Lebens und der Liebe. Ein Fest, das dem Winter den Kampf ansagen und die Rückkehr der Sonne und des Lebens feiern sollte. Die Dorfbewohner hatten sich auf dem Marktplatz versammelt, ihre Gesichter erstrahlten hell, vor Hoffnung und Vorfreude. Die Jüngsten Tanzten im Kreis, ihre Lachen hallten durch das Tal, während die Älteren Geschichten von vergangenen Festen erzählten und sich mit wärmenden Met stärkten. Im Zentrum des Platzes stand der Maibaum, ein majestätischer Baum, dessen Rinde mit bunten Bändern geschmückt war. Jedes Band stand für einen Wunsch, eine Hoffnung eine Bitte an die Götter um Segen und Schutz. Die Dorfbewohner tanzten um den Baum, ihre Schritte immer schneller, ihre Gesänge immer lauter, bis sie in Ekstase versanken. Unter den Feiernden stand Elowen, eine junge Frau mit leuchtend blauen Augen und einem Lächeln, das die Sonne in den Schatten stellen konnte. Sie hatte schon viele Beltane Feste erlebt, doch dieses Jahr fühlte sich anders an. Sie spürte eine Sehnsucht, eine stille Hoffnung, die sie sich nicht erklären konnte. Der Blick ihres Herzens hing an einem jungen Mann namens Rhys, der mit seinen starken Armen und dem dunklen Haar, das ihm über die Stirn fiel, das Herz jeder Frau zum Schmelzen brachte. Rhys tanzte mit den anderen, doch seine Augen suchten immer wieder Elowen. Er sah, wie die Sehnsucht in ihren Augen leuchtete, und ein Gefühl der Verbundenheit, das er noch nie zuvor gespürt hatte, erfüllte ihn. Er wollte ihr nahe sein, ihr sagen, was er fühlte, doch die Angst, die sich wie ein eisiger Nebel über ihn gelegt hatte, hielt ihn zurück. Doch das Schicksal hatte seinen eigenen Plan. Als der Tanz seinen Höhepunkt erreichte, schwang sich ein Band vom Maibaum los und landete direkt auf Elowens Kopf. Sie nahm es auf, spürte die warme Energie, die von ihm ausging, und in diesem Moment stand Rhys vor Ihr, ihre Blicke trafen sich. In diesem Moment war alles klar. Er war der Mann ihrer Träume, der Mann, der ihr Glück schenken würde. Gemeinsam tanzten sie unter dem Maibaum, ihre Herzen schlugen im Takt der Musik, ihre blickte trafen sich wie sprühende Funken, die ihre Seelen entzündeten. Und im Herzen des Dorfes, unter dem wachsamen Blick der Sonne, schlossen sie sich in einer Umarmung, die die Kälte des Winters endgültig verbannte und die Hoffnung auf eine reiche Ernte und eine glückliche Zukunft in ihr Herz pflanzte. Das Beltane Fest ging zu Ende, die Dorfbewohner kehrten in ihre Häuser zurück, erfüllt von Glück und Zuversicht. Der Maibaum stand noch immer majestätisch auf dem Platz, ein Symbol für die Kraft der Liebe, des Lebens und der Hoffnung, die selbst in der dunkelsten Zeit nicht erlöschen kann. Und Elowen und Rhys vereint durch das Band des Schicksals, blicken in eine gemeinsame Zukunft, in der die Liebe wie der Frühling immer wiederkehren und ihre Herzen für immer in ihrem Bann halten würde.

Es war einmal in einem weit entfernten Land, wo Tag und Nacht lebendig waren und ihre eigenen Persönlichkeiten hatten. Der Tag war ein fröhlicher, strahlender Charakter, der mit seinen warmen Sonnenstrahlen die Welt erhellte. Er liebte es, die Blumen zum Blühen zu bringen und die Vögel zum Singen zu animieren. Die Nacht hingegen war geheimnisvoll und ruhig, mit einem sanften, silbernen Licht, das die Sterne zum Funkeln brachte. Sie liebte es, die Welt in einen sanften Schlaf zu wiegen und die Träume der Menschen zu bewahren. Obwohl Tag und Nacht in Harmonie lebten, gab es vor der Tag- und Nachtgleiche einen kleinen Konflikt zwischen ihnen. Der Tag wollte immer länger bleiben, um die Welt zu erhellen, während die Nacht sich wünschte, dass die Menschen auch die Schönheit der Dunkelheit und der Sterne schätzten. So kam es zu einem Wettstreit, wer länger bleiben durfte. Eines Tages, als der Himmel in leuchtenden Farben erstrahlte und die Sonne sich auf den Horizont zubewegte, bemerkte der Tag, dass die Menschen traurig waren. Sie schauten sehnsüchtig in den Himmel und wünschten sich, dass die Nacht nicht so schnell käme. Der Tag fühlte sich unwohl. „Warum sind sie so traurig?“, fragte er sich. In der gleichen Nacht, als die Sterne funkelten und der Mond hell leuchtete, bemerkte die Nacht, dass die Menschen in ihren Betten lagen und von den Abenteuern des Tages träumten. Doch sie schienen auch etwas zu vermissen – die Farben und die Wärme des Tages. Die Nacht seufzte und dachte: „Vielleicht sind sie nicht nur traurig über mich, sondern auch über das, was ich nicht bin.“ Am nächsten Morgen, als die Sonne aufging, hatte der Tag eine Idee. Er beschloss, der Nacht einen Besuch abzustatten, um mit ihr zu sprechen. „Nacht, ich habe bemerkt, dass die Menschen dich nicht immer schätzen. Sie vermissen die Farben und das Licht, wenn du kommst“, sagte der Tag freundlich. Die Nacht lächelte sanft. „Ich habe das auch bemerkt, Tag. Aber ich bringe den Menschen die Ruhe und die Träume. Vielleicht sollten wir gemeinsam etwas tun, um ihnen zu zeigen, dass wir beide wichtig sind.“ So beschlossen Tag und Nacht, sich die Hand zu geben und eine besondere Vereinbarung zu treffen. Sie würden einen Übergang schaffen, in dem die Farben des Tages sanft in die Dunkelheit der Nacht übergingen. Der Tag würde seine letzten Strahlen in einem spektakulären Sonnenuntergang zeigen, während Nacht mit einem sanften Dämmerlicht einhüllte, was die Sterne zum Funkeln brachte. Als der nächste Abend kam, geschah etwas Wundervolles. Der Himmel erstrahlte in leuchtenden Rot-, Orange- und Violetttönen, während die Sonne langsam unterging. Die Menschen traten aus ihren Häusern und schauten fasziniert zu. Sie fühlten sich glücklich und geborgen, als die Nacht sanft einbrach und die ersten Sterne am Himmel erschienen. Von diesem Tag an gaben sich Tag und Nacht immer wieder die Hand. Sie schufen wunderschöne Übergänge, die die Menschen daran erinnerten, dass sowohl das Licht des Tages als auch die Stille der Nacht ihre eigene Schönheit hatten. Die Menschen lernten, die Farben des Sonnenuntergangs und die funkelnden Sterne der Nacht zu schätzen. Auch die Göttin Ostara freute sich sehr, dass sich Tag und Nacht die Hand gaben, denn sie konnte nun mit ihrem Wagen über den Morgenhimmel fahren und die Sonne in den Tag bringen. Und so lebten Tag und Nacht in Harmonie, und die Welt erblühte in einem neuen Licht – einem Licht, das die Herzen der Menschen erfüllte und sie lehrte, dass es in der Verbindung von Tag und Nacht eine ganz besondere Magie gibt.

Die Bewohner des kleinen Dorfes Cairnwall waren alle geschäftig auf den Beinen. Der Frühling kehrte endlich zurück. Nach den langen, dunklen Tagen waren die ersten Sonnenstrahlen eine Wohltat. Auch wenn der Winter sich noch nicht geschlagen gab und immer wieder kalten Wind über die noch kahlen Felder rund um das Dorf blies, merkte man, dass die Natur erwachte. Branwen, die Druidin des Dorfes, begann mit den Vorbereitungen für Alban Eilir, die Frühlingstag - und Nachtgleiche. Es ist die Zeit der perfekten Balance von Licht und Dunkelheit. Seit jeher feiern die Menschen den Beginn von Wachstum und Erneuerung. Die Erde wandte sich wieder dem Licht der Sonne zu und die Tage wurden länger. Die Männer des Dorfes hatten bereits Holz für ein großes Feuer herangeschafft, das am Morgen entzündet werden sollte. Branwen legte noch getrocknete Kräuter auf den Scheiterhaufen, um das Feuer zu weihen. Am Vorabend des Rituals zog sich Branwen in den nahen Wald zurück, um sich vorzubereiten. In dicke Felle gehüllt, saß sie an ihrem Lieblingsplatz und dachte über ihre innere Balance und ihre Wünsche für das kommende Jahr nach. Noch in der Dunkelheit machte sie sich auf den Weg zurück in das Dorf. Die Hütten waren von Raureif überzogen. „Der Winter war noch nicht ganz verschwunden und es wird bestimmt noch einige paar Tage geben, wo er nochmal die Oberhand gewinnt.“ dachte Branwen, während sie den Blick über das stille Dorf schweifen lies. Aus ihrer Hütte holte sie ihre Trommel, um die Dorfbewohner aufzuwecken und zum Ritualplatz zu rufen. Als alle versammelt waren, schob sich im Osten die Sonne über die Hügel. Branwen entzündete das Feuer, wandte sich gen Osten zu und sprach in die Stille: „Wir begrüßen dich, Licht der Erde. Mit dir sprießen wieder die Pflanzen, die Luft erfüllt sich mit Vogelgesang und die Tiere erwachen aus dem Winterschlaf. Die Harmonie von Tag und Nacht soll sich auch in uns widerspiegeln.“ Sie begann einen rituellen Gesang, in den die Dorfbewohner einstimmten. Während des allgemeinen Gesangs ging Branwen im Kreis umher und verteilte Samen. Mit einer Handbewegung signalisierte sie den Bewohnern das Singen langsam ausklingen zulassen. Dann sagte sie: „Legt diese Samen zusammen mit euren Wünschen und Hoffnungen für das kommende Jahr in die Erde. So wachsen daraus nicht nur Pflanzen, sondern auch eure Träume.“ Nach Beendigung des Rituales fanden sich alle im Versammlungshaus ein. Dort wurde gemeinsam gegessen, getrunken und gefeiert. Die Kinder hatten zur Vorbereitung Eier in den verschiedensten Farben bemalt und verschenken sie. Branwen hatte ihnen beigebracht, wofür die Farben standen: Rot für das Leben und Gelb für das Licht. Einige Eier wurden weiß gelassen, sie standen für die Reinheit des Neubeginns. So endete Alban Eilir im dem Dorf Cairnwall: ein Fest der Fruchtbarkeit, des Lichts und des Neubeginns. Es erinnerte alle daran, dass nach jedem Winter ein Frühling kommt. Wickies Welt

Schläfrig wickele ich mein Tuch fester um die Schultern und trete hinaus in den Hof. Mein Atem hängt wie Nebel vor meinem Gesicht, und der Schnee knirscht unter meinen Stiefeln. Die Kälte hält das Land weiterhin fest im Griff. Doch heute Morgen ist etwas anders … Es ist das Licht! In mir jubelte es: Die Tage werden länger. Dankbar für jeden zusätzlichen Augenblick Helligkeit blinzele ich dem Sonnenaufgang entgegen. Und noch etwas hat sich verändert. Da, auf der Wiese unter dem Haselbusch, sehe ich sie: Die ersten Schneeglöckchen. Kleine, mutige Kämpferinnen, die sich erst durch die harte Erde und dann durch die Schneedecke gemüht haben. Um die zarten Blüten genauer betrachten zu können, knie ich nieder. „Schönheit inmitten des Winters,“ entfährt es mir leise. „Ihr seid meine Vorbilder für die letzten, verbleibenden Wintertage.“ Im Stall begrüßen mich die Schafe wie jeden Morgen mit einem leisen Blöken. Erfreut sehe ich, dass eines der Mutterschafe in der Nacht gelammt hat. Das Lämmchen liegt sicher im Stroh neben seiner Mutter. Als ich näherkomme, stehen beide auf. Die Lämmchenbeine sind noch wackelig, doch sein Blick ist schon voller Lebenskraft. Ich lächele. Ein gutes Zeichen. Dieses erste Lamm des Jahres, stark und lebensfroh, verheißt ein gutes, fruchtbares Jahr. „Du bist mein Schneeglöckchen,“ flüstere ich ihm zu und streichele es sanft über den wollweichen Kopf. Wieder drinnen wartet der Frühjahrsputz. Ich trage alte, verbrauchte Dinge aus dem Haus, schrubbe den Ruß aus dem Kamin, fege die Spinnweben aus den Ecken. Mit jedem Wisch und jedem Eimer Wasser vertreibe ich die Dunkelheit aus unseren Räumen. Am Abend feiern wir Imbolc - Lichtmess. Wir begrüßen die Rückkehr des Lichts. Es gibt Brot und Milch – Speisen, um den Segen der Göttin Brigid zu ehren. Als die Sonne hinter dem Horizont versinkt, entzünde ich die erste Kerze. Ihr Licht erfüllt den Raum, warm und golden. Ich schreibe meine Hoffnungen für das kommende Jahr auf, übergebe sie dem Herdfeuer und bitte Brigid, uns Kraft zu schenken. Zuversichtlich denke ich daran, was vor uns liegt: Die Saat, die wir bald ausbringen werden, die Felder, die wieder grün werden - das Leben, das zurückkehren wird. Imbolc ist ein Übergang – von der Dunkelheit zum Licht, vom Stillstand zur Bewegung, vom Winter zum Frühling. Und ich bin Teil dieses großen Wandels. „Danke, Licht, dass du zurückgekehrt bist und uns Hoffnung schenkst.“




