Frau Pflaumensucherin war nicht glücklich an diesem Samstag. Der Tag, an dem die Eiche gefällt werden sollte, kam immer näher. Die Wesen, die sie überhört hatte, hatten gesagt, wenn Tag und Nacht gleich lang sind, dann müssen sie die Eiche fällen und dann würde der ganze Wald ihnen gehören. Wer könnte bloß helfen, und wieso glaubte ihr denn niemand. Verzweifelt ging sie zu Bett. Am nächsten Morgen wusste sie, was sie zu tun hatte. Sie packte Proviant ein und macht sich auf den Weg. Irgendwo würde dieser fahrende Händler ja zu finden sein. Was hatte Arävin bloß über ihn erzählt? Sie konnte sich nicht an alles erinnern. Sie ging weiter, als sie je gegangen war und folgte einfach ihrer Nase. So machte es auch Arävin, sie betete, dass sie dem fahrenden Händler begegnen würde. Arävin hatte gesagt, dass er immer einfach so auftauchte, wenn man nicht mehr mit ihm rechnete. Manchmal verließ sie der Mut, aber dann dachte sie wieder an die alte Eiche, und wieviel Spaß sie im Wald alle zusammen hatten. Niemand durfte diese Eiche fällen! Das ließ sie immer wieder Kraft schöpfen.
Wie sie so vor sich hinging, immer der Nase nach, bemerkte sie, wie die Atmosphäre sich um sie veränderte. Das Moos schien grüner zu sein und zu glitzern. Frau Pflaumensucherin schaute um sich und zwinkerte mit ihren kurzsichtigen Augen um sich herum. Es war, als ob Sterne um sie tanzten. Und da, hinter einem moosbewachsenen Grenzmarker saß eine graue langhaarige Katze und schaute Frau Pflaumensucherin durchdringend an.
„Verkaufst du die bunten Fläschchen mit dem magischen Gebräu?“ – Die Katze starrte sie nur weiterhin an. Die Sterne funkelten und glühten und die verschiedenen Moose und Farne schienen in allen Farben zu schimmern. Frau Pflaumensucherin atmete tief ein und aus. Manchmal musste man den Leben einfach vertrauen. Sie gab ihre Bestellung auf und erklärte der Katze, was sie brauchte. Als Bezahlung gab sie von ihrem besonderen Pflaumenkuchen und hoffte, dass dies reichte. Die Katze probierte von dem Kuchen und dann tat es einen Knall und eine bunte Staubwolke vernebelte alles. Als sich der Staub gelegt hatte, war die Katze und der Glitter verschwunden. Die Luft fühlte sich nicht mehr besonders an, und da im Moos vor ihr lag ein Fläschchen mit einem blauen Pulver und einer Bedienungsanleitung. Oh wow! Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Sie war hoffentlich einen Riesenschritt weiter, die Eiche zu retten.
Sie kannte die Quelle aus der sie das Wasser schöpfen sollte, um es mit dem Pulver zu vermischen. Schnell machte sie sich auf den Weg zurück, am alten Schloß aber bog sie ab und ließ den verfallenen Schuppen hinter sich. Und ging immer weiter und weiter. Nach einer langen Zeit kam sie an die Quelle bei den Haselnüssen. Sie las nochmal die Bedienungsanleitung, aber da stand nur Wasser aus dieser Quelle. Irgendwie fühlte sich das nicht richtig an. Irgendwie braucht es doch mehr, so einfach konnte es nicht sein.
Zu Sonnenaufgang, als die Strahlen auf das Wasser fielen, fasste sie sich ein Herz und füllte die Flasche mit dem Wasser, da wo die Strahlen das Wasser glitzern ließen. Als das Wasser auf das blaue Pulver traf fing es an zu brodeln und zu schäumen. Und dann zersprang die Flasche. Vor Schreck fiel Frau Pflaumensucherin um. Als sie sich umblickte, stand eine durchscheinende Frau vor ihr, wie ein Geist, oder eine Elfe? Sie war sich nicht sicher. Die Gestalt fragte sie, was denn Frau Pflaumensucherin wolle. Da erzählte sie von dem Gespräch, dass sie belauscht hatte, dass die Eiche zu Tag und Nachtgleiche gefällt werden solle und ihr niemand glauben schenkte. Die Gestalt schien sich aus dem Nebel zu lösen und greifbar zu werden, je länger Frau Pflaumensucherin sprach.
Die Nebelfrau – oder war sie aus Wasser? – hörte ihr aufmerksam zu. Dann zeigte sie auf etwas unter dem Haselstrauch. Frau Pflaumensucherin ging näher und fand einen alten Eimer aus Holz und eine Schöpfkelle aus Haselholz. Die Nebelfrau bedeutete ihr Wasser aus der Quelle des Sees zu schöpfen. Sie solle die Eiche damit gießen, morgens zu Sonnenaufgang der Herbsttag- und Nachtgleiche, dann könne ihr kein Wesen etwas anhaben.
Frau Pflaumensucherin schöpfte nicht nur Wasser, sondern auch Mut, dass die Eiche im Wald auch nächstes Jahr noch stehen würde und sie alle darunter feiern könnten. Sie machte sich mit dem Eimer voll Wasser und der Schöpfkelle auf den Weg und als am nächsten Tag die Sonne aufging, da schöpfte sie von dem Eimer und versprengte das Wasser um die Eiche. Schnell brachte sie Eimer und Kelle zurück. Als sie dann um die Mittagszeit wieder zur Eiche ging, um zu beobachten, was geschehen würde, da wurde es dunkel im Wald, ein schrecklich riechender dunkler Rauch zog durch den Wald und zur Eiche. Aber der Rauch kam nicht an die Eiche ran. Es war als ob ein Schutzkreis aus funkelndem Licht die Eiche beschützte. Es heulte gar schrecklich aus dem Rauch, und Äxte versuchten den Schutzkreis zu durchbrechen. Aber alles prallte ab. Frau Pflaumensucherin hielt den Atem an und wusste so gar nicht was sie tun sollte. Da hörte man in weiter Ferne die Glocken vom Schloss schlagen, 12 Mal. Es war genau die Hälfte des Tages. Die Eiche stand noch, der schwarze Rauch jaulte auf und löste sich auf und dann war alles still. Kein Tier war zu hören, kein Vogel sang, kein Mäuschen raschelte zwischen den Blättern, kein Wind bewegte die Zweige. Es war unheimlich still – doch dann bewegte sich die Eiche, es war, als ob sie vor Freude tanzte und die Äste in die Luft warf.
Frau Pflaumensucherin wurde von Dankbarkeit erfüllt. Sie hatte es geschafft. Sie hatte ihr erstes großes Abenteuer bestanden. Würde ihr je jemand zuhören und glauben, wenn sie von diesem Abenteuer erzählen würde? Wenn sich schon niemand an den Händler mit den magischen Fläschchen erinnern konnte, wer würde ihr die Nebelfrau glauben? Vielleicht war es besser, dass alles für sich zu behalten, und sich einfach daran zu freuen, dass sie nächstes Jahr wieder alle unter der Eiche ein Fest feiern können. Vielleicht könnte sie sogar ein neues Kuchenrezept für das Fest ausprobieren!
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